Mitgliederversammlung der Evang. Frauen in Deutschland (EFiD) berät zur Kopftuchfrage

Im Mittelpunkt stand die Auseinandersetzung mit geltendem europäischem und deutschem Recht und aktueller Rechtsprechung. Religiöse und psychosoziale Aspekte blieben außen vor. Während die Kopftuchfrage mit großer Offenheit diskutiert wurde, wurde es bei der Burka-Frage deutlich kontroverser. Die Versammlung entschied, diesen Aspekt zunächst außen vor zu lassen. Spürbar ist, dass das Tragen des Kopftuches mittlerweile hohe Akzeptanz findet. Inwieweit die Verschleierung des Gesichtes unserem Kommunikationsverhalten und unserem Verständnis einer offenen Gesellschaft widerspricht, wurde kontrovers diskutiert. Auch die heute zumeist elektronische Kommunikation verzichte ja auf die Präsenz visuell-mimischen Ausdrucks und Wahrnehmung.
In den Diskussionen wurde deutlich, dass es sich hier ggf. um eine Abwägung der Grundrechte aus Art. 4 GG und aus Art. 8 GG (hier in Verbindung mit dem Versammlungsgesetz und dem dort verfassten Vermummungsverbot) handeln könnte. Auch eine Abwägung individueller frauenpolitischer und kollektiver gesellschaftspolitischer Interessen und Rechte scheint notwendig zu sein.
Die Bedeutung des erkennbaren Gesichts benennt auch die Rechtsprechung des Europ. Gerichtshofs zum französischen und belgischen Burka-Verbots (Aktenzeichen beim EuGH Beschwerde-Nr. 37798/13 und 4619/12). Die Richter erklärten, die Verhüllungsverbote entspringen dem Ziel, die Bedingungen des Zusammenlebens zu garantieren. Letztlich entscheide eine Gesellschaft, wie sie im Allgemeinen leben will.
Auch der Begriff „Leitkultur“ wurde nochmals kontrovers diskutiert. Alexandra Belopolsky, Journalistin in Stuttgart, äußert sich in positiver Weise zum Vorhanden-Sein einer deutschen Leitkultur (Stuttgarter Zeitung, 19.10.17). Sie knüpft damit an den Ursprung des Begriffes von Bassam Tibi, dt. Politikwissenschaftler syrischer Herkunft und Professor für Internationale Beziehungen in Göttingen, an. Ging es ursprünglich um eine Beschreibung eines auf europäischen Werten basierenden gesellschaftlichen Konsens, der als Verbindung zwischen Europäern und Migrant*innen dienen sollte, entwickelte er sich über die politische Instrumentalisierung zu einem Gegenbegriff der Multikulturalität.
Referierende Expertin war Gabriele Boos-Niazy, Dipl. Sozialwissenschaftlerin, Gründungsmitglied und ehrenamtliche Vorsitzende des 2009 gegründeten Aktionsbündnisses muslimischer Frauen e. V. (amf) das sich für die Chancengleichheit von Frauen einsetzt. Das Aktionsbündnis ist Mitglied im Deutschen Frauenrat. Hier finden Sie weitere Informationen: <link http: www.muslimische-frauen.de>www.muslimische-frauen.de.
Die Evang. Frauen in Deutschland planen auf dem Hintergrund der Beratungen eine Handreichung zur weiteren Diskussion zu veröffentlichen.