Gemeinsam Essen, Reden, Feiern: Erstes interreligiöses Frauenmahl in Württemberg

180 Frauen trafen sich in Stuttgart

Beim ersten interreligiösen Frauenmahl in Stuttgart zum Thema "Freiheit" kamen rund 180 Frauen zusammen, um gemeinsam zu essen und zu reden. Die Teilnehmerinnen waren Musliminnen, Frauen jüdischen Glaubens und evangelische und katholische Frauen. Veranstaltet und vorbereitet hatten das Frauenmahl die Evangelischen Frauen in Württemberg mit weiteren Kooperationspartnerinnen: Bianca Kuon vom Katholischen Bildungswerks, Tülay Cakmak, Kuebra Caglar und Saliha Sari-Öztok von der Gesellschaft für Dialog, Lisbeth Blickle und Helga Lorenz vom Haus Abraham, Claudia Marx-Rosenstein von der Israelitischen Glaubensgemeinschaft, Birgit Dinzinger Abteilung Migration des Diakonischen Werks Württembergs, Gabriela Costabel vom Evangelischen Oberkirchenrat und Susanne Prinzen vom Bezirksarbeitskreis Frauen Tübingen. "Schon in der Vorbereitung haben wir sehr viel übereinander und voneinander gelernt", sagt Eva Bachteler, Evangelische Landesfrauenpfarrerin und Verantwortliche für die Veranstaltung. "Unsere Religionen verbindet die Hoffnung auf ein gelingendes und gutes Leben und auch der Bezug der Freiheit", führte sie weiter aus. Wunsch für das Frauenmahl sei es, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, Unterschiede aber auch zu benennen und auszuhalten.

Was Freiheit für die einzelnen Religionen bedeutet, darum ging es in drei Kurzvorträgen, die während der Essens gehalten wurden.

Freiheit bleibt höchstes Gut - Frauen haben Power


Susanne Jakubowski von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Stuttgart verwies in ihrem Vortrag zunächst auf den Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau festschreibt sowie auf Stellen in der Tora über Männer und Frauen. In anderen Regionen der Welt sei es immer noch üblich, dass Frauen getötet werden, wenn sie zum Beispiel lesbisch sind. In das kollektive jüdische Gedächtnis hätte sich die Befreiung aus der Sklaverei tief eingebrannt, das jüdische Pessachfest erinnert daran. Freiheit bleibe in allen Zeiten das höchste Gut und das mache auch sensibel für alle Situationen, in denen es an Freiheit mangelt. Susanne Jakubowski sagt, sie sei glücklich, als Frau in der heutigen Zeit zu leben, nach der Shoa und in einer Zeit, in der in vielen Ländern die Gleichberechtigung in der Verfassung einbetoniert sei. "Ich kann einen Beruf lernen, wie ich will. Ich kann reisen, wohin ich will. Ich kann mich kleiden, wie ich will". Und gleichzeitig sei es in Deutschland noch nicht lange her, dass Frauen nur mit der Erlaubnis des Mannes arbeiten konnten. Und auch die Reform des Sexualstrafrechts sei überfällig gewesen. Auch mit Blick in andere Teile der Welt sei deutlich, dass der Kampf um Frauenrechte noch nicht vorbei sein. Immer noch gibt es auf der Hälfte des Globus Frauen, die versklavt werden und in Unfreiheit leben. "Die Hälfte der Menschen sind aber Frauen und Frauen haben Power, um ihre Rechte durchzusetzen", macht sie den Zuhörerinnen in Stuttgart Mut.

Geben Sie dem Frieden eine Chance - das macht frei

Dr. Reinhild Traitler-Espiritu hielt als Christliche Theologin den zweiten Kurzvortrag. Sie verwies zunächst darauf, dass Freiheit und materielle Bedingungen im Zusammenhang stehen. Materielle Sicherheit sei ein wichtiger Aspekt von Freiheit. Sie selber fühle sich auch deshalb frei, weil ihre Pension ihr die Freiheit ermöglicht, sich einzubringen. Zum Beispiel unterrichtet sie einmal in der Woche ehrenamtlich Flüchtlingen in der deutschen Sprache. "Wirklich frei wäre ich aber, wenn ich mich nicht schämen müsste, eingebunden zu sein in die Unfreiheit so vieler andere Menschen auf der Welt", sagt Traitler-Espiritu. Die Not anderer sei ein theologisches Problem: "Es geht uns alle an, wenn andere unfrei sind." Was macht sie selber frei? Es seien ihre Beziehungen und Kontakte, auch im interreligiösen Dialog. "Ich habe mit Frauen aller Religionen gebetet und da erübrigt sich die Frage, ob es derselbe Gott ist". In der Bibel gebe es sowohl Texte, die im Sinne der Unterdrückung der Frau als auch Texte, die im Sinne der Befreiung der Frau gelesen werden können. Die Referentin beschreibt das Bild einer Hängematte, das für sie auch für Freiheit stehe. Diese Hängematte seien für sie auch biblische Texte und Sprüche, die sie sich "wie Zaubersprüche" aufsagen könne. Zum Beispiel "Fürchte Dich nicht" oder "mit meinem Gott kann ich über Mauern springen". "Da spüre ich den spririt of freedom, das gibt mir ein Quäntchen Hoffnung und Mut", sagt Reinhild Traitler-Espiritu. Den Frauen in Stuttgart beim Frauenmahl wünscht sie: "Geben Sie dem Frieden eine Chance, hören Sie sich gut zu. Ich kann Ihnen versichern, das macht frei".

Geduld, Kraft, Konfrontation - die Stimme für die Freiheit erheben

Yasemin Aydin vom Friede-Institut Wien hielt den dritten Kurzvortrag. Da sie nicht selbst anwesend sein konnte, wurde ihr Votrag von ihr aufgesprochen und in Stuttgart abgespielt. Yasemin Aydin organisiert Tagungen zum Thema Gendergerechtigkeit mit Teilnehmerinnen aus aller Welt. "Frauen müssen ihre Stimme erheben", erklärt sie. Die Ausübung ihrer Religion sei ihr sehr wichtig. "Die Beziehung zu Gott gibt mir Freiheit und Kraft". Aydin wurde in der dritten Generation der sogenannten Gastarbeiter in Deutschland geboren. Als muslimisches Mädchen ging sie in den evangelischen Kindergarten vor Ort. "Mit mir hatte meine Familien zum ersten Mal engen Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft. Das war interreligiös." Viele positive Erinnerungen nehme sie aus dieser Zeit mit, andere Religionen begleiteten sie auf dem Weg in die Freiheit. Die Frage von religiöser Zugehörigkeit und Zuschreibung beschäftigt sie schon lange. "Ich bin eine Person, ich bin Deutsche, ich bin Muslimin, ich habe türkische Wurzeln, ich bin Tochter, Ehefrau und Mutter", beschreibt sie die Rollen ihres Lebens. Als Muslimin trägt sie Kopftuch und ist damit erkennbar als Muslimin. "Ich werde damit automatisch in eine Kategorie gesteckt. Das Vorurteil ist, dass ich fremdbestimmt bin. Dagegen erhebe ich meine Stimme." Freiheit höre auf, wo die Grenzen der anderen verletzt werden. Auch Aydin verweist auf die Unfreiheit und Gewalt, denen Frauen in anderen Teilen der Welt ausgesetzt sind. Diese Menschrechtsverletzungen passierten zum Teil auch im Namen der Religion. Sie fasst zusammen, dass Freiheit bedeutet, sich selbst definieren zu können und selbst Verantwortung für die eigene Lebensweise und die eigenen Entscheidungen zu übernehmen. "Geduld, Kraft und Konfrontation" seien wichtig, um Unfreiheiten aufzubrechen. Auch das Essen an diesem Abend entsprach den drei Religionen, das Catering war vegetarisch, helal und koscher. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Simona Barazi und ihrer Band. Ein Gedicht zum Thema Freiheit trug die Poetry-Slammerin Hosnijah Mehr aus Stuttgart vor.

Zwischen den Kurzvorträgen kamen die Frauen an ihren Tischen miteinander ins Gespräch. Sie diskutierten über den Begriff Freiheit und die Bedeutung in ihrem Leben und ihrem Glauben. "Wann gibt es das nächste Interreligiöse Frauenmahl?" fragten die Teilnehmerinnen am Schluss. Die Erfahrung des Austausches war beglückend und bereichernd, darin waren sich die Frauen einig.

Das Interreligiöse Frauenmahl wurde finanziell unterstützt mit landeskirchlichen Mitteln für das Reformationsjubiläum. Bericht von Evangelischen Frauen Württemberg