Andacht zur Passionszeit

Fasten, wie ich es liebe – dann geht im Dunkeln dein Licht auf. [Jes 58, 6,10]

Fasten heißt, mit Gott das Leben lieben

Gott blickt auf uns. Immer. Gott liebt unser Leben: meins, deins, das Gänseblümchen, die Spinne (ich mags kaum glauben…) – einfach alles Leben. Das tägliche Sorgen um unser Leben, die Vermeidung von Angst oder Hilflosigkeit, Verlässlichkeit in unseren Aufgaben – all das bindet uns die meiste Zeit über. Jetzt, wo wir in die Fastenzeit vor Ostern eintreten, finde ich Jesajas Fastenlogik eine ganz besondere: Wende deinen Blick dem Leben in Not zu – und du wirst dabei Heilung und Perspektive finden.

Dabei beginnt Not und erlösungsbedürftiges Leben durchaus in mir selbst. Was habe ich lange Zeit in mir unterdrückt? Wie kann das aufhören? Wie kann ich es tun, ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, gemein oder verletzend zu werden? Welche Beziehung wartet schon lange auf Wahrhaftigkeit? Vermeidung, gute Miene zum bösen Spiel, Angst vor der eigenen Enttäuschung oder Wut sind nicht die Dinge, die die Finsternis, die sich eingeschlichen hat, verscheuchen. 

Mal eine Zeitlang auf niemanden mit dem Finger zu zeigen, den eigenen Urteilssinn mal schweigen zu lassen, wäre für mich eine riesige Herausforderung. Vielleicht wäre es eine gute Idee, miteinander ins Gespräch zu kommen, zu fragen, was und warum anderen etwas wichtig ist, was sie anstreben oder nicht wiederholen wollen, was sie motiviert oder zögern lässt. Vielleicht lerne ich in einem solchen Gespräch mehr darüber, was das Leben der anderen ausmacht, was ihr Leben mit meinem zu tun hat. Wie wir miteinander für das Leben unterwegs sein könnten.

Es kann sicherlich auch nichts schaden, sich mal denjenigen Menschen zuzuwenden, die nicht so von Glück oder Wohlstand bevorzugt sind, wie ich es bin – selbst, wenn ich nicht vor Zufriedenheit sprühe. Vielleicht lerne ich etwas über Dankbarkeit, oder etwas über die Verhältnisse, die sich am besten nur gemeinsam ändern lassen.

Ich werde es mal versuchen.


Der Jesajatext (58, 6-10) in zentralen Auszügen:

6Das ist ein Fasten, wie ich es liebe:
die Fesseln des Unrechts zu lösen,
die Stricke des Jochs zu entfernen,
die Versklavten freizulassen,
jedes Joch zu zerbrechen,
7an die Hungrigen dein Brot auszuteilen,
die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen,
wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden
und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.
9bWenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst,
auf keinen mit dem Finger zeigst und niemand verleumdest,
10bdann geht im Dunkel dein Licht auf,
und deine Finsternis wird hell wie der Mittag.


7 Wochen für das Leben

Woche 1:
Die Diakonischen Bezirksstellen wissen gut, wo bei dir zuhause gerade Not herrscht und was gebraucht wird, oder was die Helfer*innen brauchen, um gerne ihre Arbeit tun zu können. Frag doch mal, womit du (Ihnen) gerade etwas Gutes tun kannst. Deine nächste Diakonische Bezirksstelle kannst du hier suchen.
Dann erfährst du auch, wo an deinem Wohnort gerade die Hütte brennt und welche Not man gut gemeinsam lindern könnte.

Woche 2:
Überleg dir mal, über wen du dich im Moment am meisten ärgerst? Sortiere für dich, welche Werte bei dir verletzt werden und wie du damit umgehst? Schimpfst du rum, feuerst du eine Spitze nach der anderen ab? Was könnte hilfreich sein, damit überhaupt eine Chance besteht, gemeinsam Sachen zu bewegen?

Woche 3:
Welchen Brief wolltest du schon lange schreiben? Wen wolltest du schon lange besuchen? Nimm dir Zeit und tu es!

Woche 4:
Es gibt bestimmt Menschen, die dich regelmäßig aufregen. Lade sie mal ein zu einer Tasse Kaffee oder Tee. Sei neugierig, was ihnen wichtig ist. Sag ruhig, was dich irritiert oder den Zugang erschwert. Wer weiß, was daraus erwächst?

Woche 5:
Einmal am Tag 30 Minuten für dich selbst: Schreib 15 Minuten am Morgen auf, was dir heute besonders wichtig wäre und warum. Nimm dir abends weitere 15 Minuten Zeit, um nachzudenken, ob es so gekommen ist, was hinderlich und was hilfreich war. Und: Notiere drei Dinge, die dein Leben heute reich gemacht haben.

Woche 6:
Was hast du dir lange nicht mehr zugestanden? Was hast du bei dir selbst unterdrückt? Schreibe dir zu Beginn der Woche drei Dinge auf, jedes auf einen Zettel. Falte die Zettel zusammen, leg sie in eine Tasse. Lassen jemand anderen einen Zettel für dich ziehen und schau, wie du dich dieser Sache in dieser Woche widmen kannst. Jeder Schritt zählt!

Woche 7:
Wen gibt es in deinem Umfeld, der eine besondere Belastung trägt? Wie kannst du es für sie oder ein ihn ein Stück Ostern werden lassen?


Lieder für den Tagesstart und den Tagesschluss – zum Mitsingen oder Reinhören:

EG 454: Auf und macht die Herzen weit (lesen, singen oder hören)
EG 176: Öffne meine Augen (lesen, singen oder hören)

EG 492: Ruhet von des Tages Müh (lesen, singen oder hören)
EG 472: Abend ward, bald kommt die Nacht (lesen, singen oder hören)

 

Gebet

Guter Gott,
ich weiß, dass DU mich liebst und mich glücklich sehen willst.
Ich weiß, dass DU die anderen und die Welt liebst und alle und alles glücklich sehen willst.

Hilf mir zu sehen,
was dem Lebensfrohen und der Fröhlichkeit Raum nimmt.

Hilf mir zu sehen,
wo ich dem Lebensfrohen und der Fröhlichkeit Raum nehme.
Wo ich mir selbst, anderen und DIR im Weg stehe.

Schenke mir die Zeit wahrzunehmen,
wo Leid und Not und Erstarrung herrscht 
-    in mir
-    in anderen
-    im Miteinander
-    in unserer Kirche.
Lass mich Luft holen und erkennen, 
wo ich für DICH und mit DIR lassen und anpacken kann.

Schenke mir eine Zeit, in der mir bewusst wird,
dass DU alles für das Leben tust – bis in den Tod hinein.

Und dann:
Lass Ostern werden!

Amen


Dina Maria Dierssen,
Diakonin, Geschäftsführerin EFW