Andacht zu Ostern

Ist nicht dies ein Fasten, wie es mir gefällt: Unrechtsfesseln öffnen, Jochstricke lösen, Misshandelte als Freie entlassen, jedes Joch zerbrecht ihr!
Jes 58,6 (Bibel in gerechter Sprache, BigS)

Passion oder Osterfreude

Fasten Sie? Oder: haben Sie gefastet? Warum? Oder warum nicht?
Und vielleicht noch viel wichtiger: für wen?

Eigentlich streben wir nach einem schönen und bequemen Leben. Da möchte das Fasten nicht so recht dazu passen. Wir vermeiden (eigenes) leiden, wo es nur geht. Die Passionszeit allerdings begehen wir bewusst.

Neben all dem Leid, das schon real existiert, gehen wir ganz bewusst unserem üblichen Prinzip entgegen. Wir verzichten auf etwas, das unser Leben (vermeintlich) erleichtert. Oder wir machen bewusst etwas, für das uns unsere Zeit und Energie meist als zu kostbar erscheint. In gewisser Weise erscheint das – von außen betrachtet – zunächst als selbst gewähltes Leid. Wieso aber sollten wir das tun?

Brauchen wir die Schokolade zu unserem Glücksgefühl oder vielmehr das Lachen einer guten Freundin? Ist der zusätzliche Spaziergang eine Last oder können wir aus den Eindrücken in der Natur nicht eher Kraft für alle anderen Aufgaben ziehen? Ist der Verzicht auf das Handy oder auf einzelne Apps nicht eher entlastend? Ist das zusätzliche Telefonat mit lieben Menschen nicht vielmehr wohltuend? Muten wir uns also Leiden zu oder streben wir ganz bewusst hin zu einem schöneren Leben?

Jedes Fasten ist ein Lernen. Wir lernen uns selbst besser kennen. Wenn wir Glück haben, lernen wir auch Gott besser kennen. Und manchmal lernen wir auch die Menschen um uns herum besser kennen. Allein für dieses Lernen lohnt es sich jedes Jahr aufs Neue sich ein Fastenvorhaben zu überlegen und damit durch die Passionszeit zu gehen.

Wenn ich den Vers im Buch Jesaja lese, dann erscheint mir als sei das Fasten vielmehr Osterfreude als Passion. Wenn Menschen ihre Freiheit zurückgewinnen, dann ist das ein Grund zu Freude. Dort entsteht neues Leben. Wer kennt nicht das Gefühl, dass eine Last von ihr oder ihm genommen wurde? Und wie freudig ist das leichte Gefühl danach? Wer könnte nicht tanzen, singen und Gott loben?

Die Bibel beschreibt ein Fasten das Gott gefällt also als Handeln, das anderen Menschen dienlich ist. Sicherlich: es hilft auch anderen Menschen, wenn wir ausgeglichener sind, weil wir einen Spaziergang in der Natur gemacht haben oder das Handy für ein paar Stunden weniger in der Hand haben. Aber wieviel mehr können wir anderen direkt dienlich sein? Und uns selbst dabei gleich mit! Ein Telefonat, ein kurzer Besuch, eine kleine unterwartete Aufmerksamkeit. Vielleicht auch nur ein Lächeln für einen fremden Menschen auf der Straße oder in der Bahn. Solche Momente kennen wir alle. Sie tun gut. Wenn sie uns entgegen gebracht werden. Und wenn wir sie schenken.

Nun ist die Fastenzeit jedoch mit Ostern vorbei. Warum also schreibe ich über das Fasten? Gleich nach dem Jahresbeginn mit den üblichen Vorsätzen, gibt uns die Fastenzeit einen zweiten Versuch: gute Vorsätze für eine begrenzte Zeit. Wenn nun unsere Vorsätze jedoch weniger der Passion, sondern mehr der Osterfreude gleichen, wäre es dann nicht logisch, sie über die Fastenzeit hinaus auszuweiten? Aller Anfang ist schwer. Wenn wir den jedoch schon getan haben, dann machen wir doch einfach weiter.

Lieder 

Ich lobe meinen Gott (EG 615)
Wo einer dem andern neu vertraut (EG 551)

Gebet

Barmherziger Gott,
DU Mutter und Vater!
Wir danken DIR für DEINE große Tat.
DU hast unsere Schuld am Kreuz auf DICH genommen.
Unser Joch hast DU zerbrochen. Die Last von unseren Schultern genommen.
DU hast uns die Freude am Leben geschenkt.
In DEINER Liebe dürfen wir sein.
Schenke uns heute die Kraft, diese Liebe und Freude weiterzugeben.
Schenke uns offene Augen. Damit wir sehen, wo ein Lächeln benötigt wird.
Schenke uns offene Hände. Damit wir geben, wo Kraft fehlt.
Schenke uns ein offenes Herz. Damit wir sind, wo Menschen fehlen.
Schenke uns die Kraft und den Mut, aus DEINER Liebe und mit Freude zu leben und zu tun.

Amen

Leitfrage zur persönlichen Auseinandersetzung

Was habe ich gelernt in meiner Fastenzeit?
Was möchte ich in meinen Alltag nach Ostern mitnehmen?
Welche Osterfreude habe ich in den vergangenen Wochen erfahren?
Wo möchte ich meine Augen, meine Hände, mein Herz noch weiter öffnen?

Alina Köder, Referentin EFW