Ich wünsche mir, dass wir laut und mutig vom Weltgebetstag sprechen

Interview mit Lore Raudonat zum Wechsel in den Ruhestand

Liebe Lore, Du gehst Ende März in den Ruhestand. Das bedauern wir ganz arg. Wir werden Dich sehr vermissen als Kollegin. Wie geht es Dir in diesen Tagen? Es ist ein hin und her, ein auf und ab der Gefühle. Ich bin sehr dankbar für die Arbeit in den zurückliegenden Jahren. Ich freue mich über gelungene Veranstaltungen, beeindruckende Begegnungen, über die wertschätzende Zusammenarbeit mit dem ökumenischen WGT-Team und den EFW-Kolleginnen. Aber es ist schwer, sich aus diesen Zusammenhängen und Freundschaften zu lösen und sich zu verabschieden. Ich schaue jedoch mit Zuversicht in die kommende Zeit und freue mich auf das, was kommt. Du hast vor 10 Jahren und einigen Monaten bei EFW angefangen. Erinnerst Du Dich doch an Deinen Anfang? Welche Erfahrungen, die Du damals mitgebracht hast, haben Dir besonders geholfen? Ja, ich erinnere mich sehr lebhaft daran. Ich sehe mich, wie ich mit Birgit Bauer, damalige Vorsitzender der WGT-AG, in meinem großen Büro sitze – ich hatte nie zuvor ein eigenes Büro – und ihren Ausführungen folge. Die Landeswerkstatt war bereits vom Ökumenischen Team vorbereitet, ebenso die Regionaltage geplant, alles war in der Hand von Ehrenamtlichen. Ich sollte einfach schauen und  die Abläufe kennenlernen. Frau Lener, damals Sekretärin für den WGT, stupste mich, dass ich noch Geschenke für die Mitarbeiterinnen besorgen solle. Was hat mir geholfen? Ich war es gewohnt, mich immer wieder in neuen Zusammenhängen einzubringen und mich zurechtzufinden. Wir sind oft umgezogen und ich war beruflich in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern unterwegs. Kirchliche Strukturen, Gemeindearbeit und der Weltgebetstag waren mir vertraut.  Außerdem arbeite ich gerne mit anderen zusammen und lerne gerne Neues kennen. 10 Jahre sind eine lange Zeit. Gibt es eine Lieblingserinnerung, die Du mit uns teilen magst? Ja, ich denke sehr gerne an unsere Landeswerkstätten im Tagungshaus der Evang.-Meth. Kirche  in Stuttgart-Giebel mit super motivierten WGT-Frauen und unglaublich beeindruckenden Gästen. Mit großer Ernsthaftigkeit und ganz viel Kreativität und Spaß haben wir uns auf den jeweils nächsten WGT, das Land und seine besondere biblische und gesellschaftspolitische Thematik eingestimmt. Unvergesslich bleibt mir, neben manch anderen Gästen, Ordensschwester Mary John Mananzan O.S.B. aus den Philippinen im Jahr 2016. Die „Power Nonne“, Theologin und Feministin, die in Deutschland studiert hatte und gut Deutsch sprach. Leiterin  ihrer eigenen Fernseh-Talkshow und Autorin, sie spielte wunderbar Klavier und leitete uns an in spirituellen Körperübungen. Sie war damals fast 79 Jahre alt. Was war Dein Lieblings-WGT-Land in den 10 Jahren und warum? Ich kann kein Land bevorzugen. Bei manchen Ländern waren das Interesse und die Neugier im Vorfeld größer als bei anderen. Jedoch sobald wir anfingen, uns mit dem neuen WGT-Land zu beschäftigen, wuchs die Begeisterung. Es ist faszinierend, wie jedes Mal aufs Neue sich eine Aktualität und zentrale Botschaft herauskristallisierte. Ich erinnere nur an den WGT Ägypten, als der Arabische Frühling seinen Höhepunkt erreichte, oder WGT Frankreich mit seinem Motto „Ich war fremd“ mitten in der Flüchtlingskrise. Und nun der Gottesdienst aus Vanuatu mit seiner Frage „Worauf bauen wir?“, der uns durch die Corona-Pandemie und angesichts des Klimawandels besonders herausforderte. Du warst ja auch international für den Weltgebetstag unterwegs. Was war für Dich am eindrücklichsten? Am eindrücklichsten war für mich, dass ich an den beiden internationalen WGT-Konferenzen 2012 und 2017 teilnehmen konnte. Ich erlebte  Frauen aus der ganzen Welt, vom Pazifik bis zur Karibik, von Nordeuropa bis Südafrika,  in einer ungeheuerlichen Vielfalt und Schönheit – jung und alt, fromm und liberal, konservativ-traditionell und aufgeschlossen-fortschrittlich, zurückhaltend und kämpferisch.  Und bei allen tiefgreifenden Unterschieden verbindet uns der Weltgebetstag. Wenn Du an „Deine“ WGT-Frauen in Württemberg denkst, was hast Du von Ihnen „gelernt“ in den letzten Jahren? Beeindruckt hat mich das hohe Engagement. Weite Anfahrten und lange Veranstaltungen haben sie nicht abgehalten, an Regionaltagen teilzunehmen. Mit großem Eifer bereiten sie Bezirksveranstaltungen vor und lassen nicht locker, vor Ort den WGT lebendig zu halten. Du hast Deine Arbeit immer zusammen mit anderen Frauen im Team gemacht. Wie wichtig war das Ökumenische Team für Dich und insgesamt die Zusammenarbeit mit den anderen Konfessionen? Sehr wichtig! Die Ökumene war meine Hauptmotivation für diese Arbeit. Ich habe immer wieder aufs Neue die Vielfalt des Glaubens schätzen gelernt. Bei dem WGT aus den Bahamas war die Gründonnerstagliturgie der Fußwaschung ein Element des Gottesdienstes. Wir haben versucht, es umzusetzen und es war am Ende ein sehr berührendes Erlebnis für uns. Wenn man nach einer so langen Zeit zurückschaut, hat man meist auch gemischte Gefühle. Gibt es etwas, das Du Dir anders gewünscht hättest in Deiner Arbeit?

Eigentlich nicht. Ich bin zufrieden und dankbar, dass die ehrenamtliche Arbeit bei EFW einen guten Platz hat. Und was wünscht Du EFW und den Frauen vor Ort für die Zukunft?
Ich wünsche allen, dass sie nicht müde werden und mutig und laut vom Weltgebetstag der Frauen erzählen. Liebe Lore, wir kennen Dich als Kollegin mit so vielen Fähigkeiten und Interessen. Gibt es etwas, auf dass Du Dich besonders freust in der neu gewonnen Zeit? Wenn es wieder möglich ist, freue ich mich auf mehrtägige Wanderungen und Radtouren und natürlich auf die Zeit mit meiner Familie.

Liebe Lore, vielen Dank für das Interview und von Herzen alles Gute für Dich!