Unsere Referentin Marion Sailer-Spies berichtet von ihrer Reise

vom 12. bis 21. März 2023 anlässlich des WGT 2024 aus Palästina

 

Reisetagebuch Palästinareise 12. – 21. März 2023

Tag 1 (Sonntag, 12. März 2023): 
Anreise

18 Uhr Abflug vom Flughafen Frankfurt. Nach ca. 4-stündigem Flug kommen wir in Tel Aviv, Israel, an. Nach der einstündiger Zeitverschiebung ist es dort ca. 23 Uhr. Mit Kleinbus fahren wir zum Hotel nach Bethlehem (dauert normal ca. 1 Stunde). 10 Minuten vor Ankunft stehen wir vor einem verschlossenen Checkpoint, müssen umdrehen und einen Umweg fahren. Das war die erste Live-Checkpoint-Erfahrung. Müde kommen wir endlich gegen 1 Uhr nachts beim Hotel „Lifegate Garden“ in Bethlehem an. Und so haben wir in Bethlehem doch noch eine Herberge gefunden.

Tag 2 (Montag, 13. März 2023):
Bethlehem (Flüchtlingscamp, Bethlehem Development Organisation, Mauer)

Nach einem leckeren palästinensischen Frühstück (Gemüse, Humus, Oliven, Fladenbrot…) geht es los zum Flüchtlingscamp in Bethlehem. Bethlehem liegt im Westjordanland im palästinensischen Gebiet. Die Shoruq-Organisation empfängt uns und gibt uns Infos zur Situation der Menschen im Flüchtlingscamp (unzureichende Versorgung mit Wasser, Strom, Bildung, ärztlicher Versorgung, Müllentsorgung; knapper Wohnraum; hohe Arbeitslosigkeit, unsicheres Lebensgefühl wegen teilweise überraschender Kontrollen durch die israelische Armee). Im Anschluss sehen wir manches davon live bei einem Gang durch das Flüchtlingscamp.

Danach geht es zur Bethlehem Development Foundation. Die dortige Leiterin gibt uns einen Überblick über die Arbeit der Stiftung, die die bauliche, touristische… Entwicklung von Bethlehem nach vorne bringen will. Sie wünscht sich eine friedliche, stabile politische Lösung für Palästina, um nachhaltig eine gute Entwicklungsarbeit für Bethlehem und seine Menschen machen zu können.

Nach einem typisch palästinensischen Falaffel-Mittagessen geht es nachmittags zur Geburtskirche in Bethlehem, anschließend zur Mauer, die Bethlehem zum großen Teil umschließt. Abends bekommen wir noch Infos von einem deutschen Freiwilligen, der derzeit bei einem Projekt tätig ist, das Menschen an den Checkpoints hilft.

Tag 3 (Dienstag, 14. März 2023):
Bethlehem (Universität Dar Al-Kalima in Bethlehem)

Heute besuchen wir die Uni in Bethlehem, die auch als Weltgebetstagsprojekt finanziell unterstützt wird. Die Uni bietet diverse Studiengänge an (z.B. Film, Kunst, Goldschmiedkunst…) und es gibt tolle Erfolgsstories palästinensischer Filme. Es gibt eine gute Arbeit für Kinder und Jugendliche, auch von außerhalb der Uni, mit künstlerischen, sportlichen und schauspielerischen Projekten (z.B. Mädchenfußball). Beispielhaft berichten uns zwei Studierende von ihrem kurzen Aufenthalt in Deutschland (bei der Dehoga und in der „Schmuckstadt“ Pforzheim).

Nach einem Mittagessen in der dortigen Mensa haben wir ein interessantes Gespräch mit dem Leiter der Uni über die Gesamtsituation der palästinensischen Bevölkerung in Bethlehem (deren Bewegungsfreiheit durch die Mauer und nötige Erlaubnisse zum Passieren der Checkpoints sehr eingeschränkt ist). Eine Lehrerin zeigt uns im Anschluss die Uni mit Werkstätten, Kunstgalerie, Sporthallen und Bibliothek.

Tag 4 (Mittwoch, 15. März 2023):
Bethlehem (Dorf Al Walaya, Dorf Battir)

Wir fahren zum Dorf Al Walaya, das früher eines der größten Dörfer rund um Jerusalem war. Dort besuchen wir eine Frauenorganisation. Die dortigen Frauen stellen aus restlichen Ressourcen (Müll, altes Holz…) hoffnungsvoll Neues her (z.B. Lampen, Regale) und verkaufen diese Produkte zum Teil. Sie haben sich diese Holz-Fertigkeiten selbst angeeignet und an andere Frauen weitergegeben. Damit halten die Frauen den schwierigen äußeren Bedingungen im Dorf stand: die Mauer teilt das Dorf in zwei Teile, Häuser von Palästinensern werden zerstört, israelische Siedlungen werden gebaut.

Nach dem Mittagessen fahren wir in das kleine Dorf Battir in der Nähe von Bethlehem. Es ist mittlerweile Unesco-Weltkulturerbe (römisches Wassersystem, Trockenmauern, Terrassen…) und ein wunderschönes „Paradies“. Auch hier hätte die Mauer gebaut werden sollen, aber Familien aus dem Dorf haben sich zusammengetan und mit viel Fleiß, Kreativität, Arbeit, Standfestigkeit und touristischen Ideen erreicht, dass der Ort Weltkulturerbe wurde und dadurch geschützt ist. Jedoch ist der Ort derzeit von israelischen Siedlern bedroht.

Tag 5 (Donnerstag, 16. März 2023):
Jerusalem (Auguste-Viktoria-Krankenhaus, Austausch Weltgebetstags-Komitee)

Die Sonne lacht uns morgens entgegen und es gibt nach den letzten kalten, regnerischen Tagen wohltuende Temperaturen bis zu 16 Grad. Wir fahren nach Jerusalem. Dort treffen wir die Vertretung des lutherischen Weltbunds auf dem Areal des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Ostjerusalem, einem Krankenhaus für Palästinenser, und erfahren einiges über das Gesundheitssystem in Palästina.

Wir besichtigen die dortige Himmelfahrtskirche mit toller Aussicht auf Jerusalem. Nach dem dortigen Mittagessen dürfen wir uns im besonderen Kaiser-Wilhelmsaal mit den engagierten Frauen des Weltgebetstags-Komitee von Palästina austauschen.

Durch Staus und Checkpoints brauchen wir ca. 2 Stunden für die Rückfahrt zu unserem Hotel in Bethlehem, obwohl die Distanz zwischen Jerusalem und Bethlehem nur ca. 9 km beträgt. Wir erfahren das teils mühsame Alltagsleben dort.

Tag 6 (Freitag, 17. März 2023):
Bethlehem (Organisation „Wings of Hope“), Jerusalem (Garten Gethsemane, Altstadt, Organisation „Machsom Watch“)

Ein warmer sonniger Tag mit 22 Grad erwartet uns. In Bethlehem besuchen wir die Organisation „Wings of Hope“, die eine sehr gute Traumaausbildung für Fachkräfte (Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen…) anbietet und auch vom Weltgebetstag finanziell unterstützt wird.

Wir fahren nach Jerusalem weiter zum Ölberg mit dem Garten Gethsemane und 800 Jahre alten Olivenbäumen. Mit viel Stau fahren wir zur Altstadt hoch und erkunden die heiligen Stätten (Jaffa-Tor, Erlöserkirche, Grabeskirche) und erleben das bunte Miteinander von verschiedensten Menschen auf den Straßen. Abends kommt eine 87-jährige Dame zu uns ins Hotel, die uns fast zwei Stunden von ihrer erfüllenden Arbeit bei der Organisation „Machsom Watch“ an den Checkpoints erzählt. Sie unterstützt als Israelitin und Jüdin palästinensische Frauen bei ihren alltäglichen Herausforderungen (unter Anderem an den Checkpoints).

Tag 7 (Samstag, 18. März 2023):
Jerusalem (Frauencenter für Hilfe/Beratung, christlicher Verein junger Frauen (YWCA), Altstadt)

Am Morgen geht es zum Frauencenter „Women Center for legal aid and counseling“ (WCLAC) in Jerusalem, die uns darüber berichten, wie sie Frauen helfen und beraten. Im Anschluss sind wir beim YWCA in Jerusalem, der seit vielen Jahren dort ein großes Haus besitzt. Die dortige Leiterin stellt uns ihre Arbeit vor: Berufsbildungszentrum, Veranstaltungsräume (auch zum Anmieten zur Refinanzierung der Arbeit), Angebote für Kinder und Jugendliche.

Im Anschluss gehen wir mit unserer israelischen Reiseleitung in die Altstadt von Jerusalem. Vom österreichischen Hospizgebäude haben wir einen wunderschönen Rundumblick auf Jerusalem. Dann durchwandern wir die Via Dolorosa mit ihren Gebetsstationen und genießen die Vielfalt der Menschen: singende Juden laufen durch die Gassen, Franziskaner eilen in ihren Kutten zur Kirche und mittendrin wir. Auf dem Weg zur Klagemauer erleben wir hautnah einen Zwischenfall (ohne Waffen) von der israelischen Armee mit Arabern und erfahren die Anspannung, die ebenso auf der Stadt liegt. Durch einen Checkpoint kommen wir zur Klagemauer, die am heutigen Sabbat voller betender Frauen und Männer ist.

Gegen Abend folgen wir der spontanen Einladung von der Leiterin des YWCA und gehen zu einem Basar des YWCA und palästinensischen Organisationen, wo wir palästinensische Folklore, Musik, Kunst und Essen erleben dürfen.

Tag 8 (Sonntag, 19. März 2023):
Haifa, See Genezareth, Nazareth

Bei regnerischem Wetter fahren wir nach Haifa an der Küste und sehen das Meer, dann auch mit Sonne. Dort besuchen wir das Frauenzentrum „Isha L’Isha“ (von Frau zu Frau). Sie stellen uns ihre Projekte vor, wie sie Frauen helfen.

Danach besuchen wir das Unesco-Weltkulturerbe, die Gärten der Baha‘i Religion (hat ihren Ursprung im Islam, hat sich dann selbständig weiterentwickelt).

Mit viel Stau durch Haifa kommen wir dann mit unserem Kleinbus in die schönen, grünen, galiläischen Berge und kommen schließlich nach Tabgha am See Genezareth. Dort werden wir vom dortigen Leiter des Tabgha Pilgerzentrums vom deutschen Verein vom Heiligen Land herzlich begrüßt. Er stellt seine Arbeit vor und bietet uns die Kapelle des Zentrums für unsere Andacht in der Gruppe an. Das ist etwas Besonderes, eine Andacht am See Genezareth, wo damals die Speisung der 5000 stattgefunden hat.

Von hier aus geht es zum neuen Hotel nach Nazareth, wo wir um 20.30 Uhr ankommen und nach einem reichhaltigen Essen müde ins Bett gehen.

Tag 9 (Montag, 20. März 2023):
Nazareth (Frauenorganisation „Al Tafula Center“ in Nazareth, Frauenorganisation „Kayan feminist organization“)

Morgens gehen wir zum Al Tafula Center. Im Eingangsbereich werden wir von einer Kindergruppe vom dortigen Kindergarten mit Luftballons und einem Tanz herzlich begrüßt. Dort wird uns von der Arbeit erzählt: Sie kombinieren frühkindliche Erziehung (z.B. haben Kinderkrippen) mit der Stärkung von Frauen. In diesem Teil des Landes geht es um palästinensische Frauen, die in Israel leben (nicht in den besetzten Gebieten Westjordanland und Gaza). Die Leiterin zeigt uns die Lebenssituation von Kindern anhand ihrer selbst geschriebenen Kinderbücher. Außerdem erfahren wir von den „nicht anerkannten Dörfern“, in denen oft Beduinen leben, die zerstört werden sollen, da sie vom Staat Israel nicht registriert sind.

Nach einem kurzen Imbiss bei einem palästinensischen Bäcker fahren wir in den Norden zu der Frauenorganisation „Kayan feminist organization“. Dort erleben wir eine engagierte, aktive Frauengruppe im Alter zwischen 20 und 70 Jahren, die uns von ihrer Arbeit berichten und mit denen wir uns rege austauschen über die Arbeit von Frauen an der Basis.

Unseren letzten gemeinsamen Abend beschließen wir mit einem guten Abendessen und einem Austausch über die Reise in unserer Gruppe.

Tag 10 (Dienstag, 21. März 2023):
Nazareth und Abreise

Der letzte Tag ist angebrochen. Nach dem Frühstück nutzen wir noch die Möglichkeit, individuell Nazareth mit der Verkündigungskirche anzuschauen und dann geht es um 11 Uhr mit dem Kleinbus los Richtung Flughafen in Tel Aviv. Nach zwei Stunden Fahrt kommen wir dort mit ausreichend Zeitpuffer an, was gut ist, denn das Einchecken dauert doch länger als gedacht. Wir genießen nochmals das dortige Essen und um 16.30 Uhr hebt das Flugzeug ab.

Pünktlich um 20 Uhr nach Ortszeit kommen wir in Frankfurt an, verabschieden uns herzlich voneinander, erhalten schnell unser Gepäck und ich bekomme sogar noch meinen Anschlusszug nach Stuttgart. Um 23.30 Uhr bin ich müde und erfüllt zu Hause. Eine intensive, beeindruckende, bewegende und unvergessliche Reise geht für mich zu Ende.